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Ein Olivenbaum für etwas Leben im Raum des Todes

PROJEKT Schüler des Teletta-Groß-Gymnasiums in Leer haben eine Installation für eine Gedenkstätte in Hamburg geschaffen

Die Elftklässler wollen an 20 jüdische Jungen und Mädchen erinnern, die 1945 im Keller einer ehemaligen Schule von den Nazis umgebracht wurden. Ihr Werk steht am Ort der Hinrichtung.

Von Daniel Noglik

Foto von der Installation

Die Installation in Hamburg. Der Spruch auf dem Plakat an der Wand ist häufig auf jüdischen Grabsteinen zu fin­den.

LEER/HAMBURG - In der Nacht zum 21. April 1945 machen 20 jüdische Kinder ihre letzten Schritte – hinab in den Keller des ehemaligen Schulgebäudes am Bullenhuser Damm in Hamburg. Sie alle leiden an Tuberkulose – weil die Nationalsozialisten mit ihren Körpern experimentiert haben. Weil sie ihnen die Lymphknoten entfernt haben, damit die kleinen Körper sich gegen die Bazillen nicht wehren können. In dieser Nacht sollen die Beweise – die Kinder – beseitigt werden.

22 Schüler der Jahrgangsstufe elf des Teletta-Groß-Gymnasiums (TGG) in Leer wollen an die zehn Jungen und zehn Mädchen aus dem Konzentrationslager Neuengamme erinnern, deren einziger Trost in ihrer Todesnacht eine Morphiumspritze war – zur Betäubung vor der Hinrichtung durch den Strick. Die Gymnasiasten haben eine Installation gefertigt. Sie steht nun an dem Ort in Hamburg, an dem damals die grausame Tat geschah. Das ehemalige Schulgebäude am Bullenhuser Damm ist mittlerweile eine Gedenkstätte (siehe Infokasten).

„Das älteste Kind war damals zwölf, das jüngste nur fünf Jahre alt“, sagt Claudia Lax, die Lehrerin, die das Seminarfach „Auf den Spuren unserer ehemaligen jüdischen Nachbarn“ am TGG leitet. Eine ehemalige Schülerin hatte sie auf die Hamburger Gedenkstätte aufmerksam gemacht. Die Gedenkstätte war auf der Suche nach Ausstellungsstücken.

Weil die ermordeten Kinder so jung gewesen seien, „sind auf der Installation Handabdrücke von Fünftklässlern zu sehen. Sie stehen für die kleinen Körper der toten Kinder“, erläutert die Schülerin Deike de Vries. Sie hat das Modell gemeinsam mit ihrer Mitschülerin Victoria Weitz entworfen. Die weiße und silberne Farbe der Abdrücke steht für die Unschuld der Kinder.

Zusammen mit ihren 20 Mitstreitern im Seminarfach haben die beiden die Installation im Keller des ehemaligen Hamburger Schulgebäudes errichtet: Ein echter Olivenbaum ist umgeben von einem durchsichtigen Glaskasten, auf dem die Handabdrücke und ein Zitat aus dem Alten Testament Platz gefunden haben. Es lautet: „So spricht der Herr: Ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst.“

„Es gab ein paar Diskussionen darüber, ob wir einen echten oder einen unechten Baum verwenden sollten“, erzählt de Vries. Für einen unechten sprach das Praktische: Die Installation steht in einem dunklen Keller, viel Licht gibt es dort nicht. Dennoch hat man sich schließlich für einen lebendigen Baum entschieden: „Er soll wenigstens ein bisschen Leben in das triste Gebäude bringen.“

Erstmals öffentlich präsentiert haben die Schüler ihr Modell beim Tag der offenen Tür am TGG am 1. April – allerdings noch nicht zusammengebaut. „Die Schüler haben den Eltern die Hintergründe erklärt. Die waren erstaunt, dass die Grausamkeit nicht nur weit weg, sondern auch ganz nah bei uns stattgefunden hat“, sagt Lehrerin Lax.

Schon im November waren die Gymnasiasten in der Hamburger Ausstellung zu Gast, um sich zu informieren. Sie lasen von den Schicksalen der Opfer, konnten sich sogar die Fotos der Kinder anschauen, die bei der SS bloß Nummern und keine Namen hatten.

Zur Ausstellungseröffnung am Ostersonntag war Lehrerin Claudia Lax nach Hamburg gereist. „Es war eine sehr emotionale Veranstaltung“, sagt die Pädagogin. Sogar der ältere Bruder eines der Opfer war gekommen. Die Ausstellung soll den Kindern wieder ein Gesicht geben. Die Mädchen und Jungen sollen die Identität wiederbekommen, die ihnen die Nationalsozialisten genommen haben. „Es sei seine/ihre Seele eingebunden in den Bund des Lebens“, ist auf einem Plakat hinter dem Olivenbaum zu lesen, der fürs Leben stehen soll – an einem Ort des Todes.

Die Einrichtung

Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm erinnert seit 1980 an 20 jüdische Kinder, die vor ihrer Ermordung bei medizinischen Experimenten im Konzentrationslager Neuengamme missbraucht worden waren.

Die im Jahr 2011 neu eröffnete Dauerausstellung informiert über den Ort als Schule und als späteres Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme, über die medizinischen Experimente, die Opfer, die Morde, die Täter und den Umgang mit den Verbrechen nach 1945.

Das ehemalige Schulgebäude hat sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Infos zur Ausstellung und zu Führungen gibt es im Internet unter www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/?id=655 ….

Aus der Ostfriesen-Zeitung vom 30. April 2014, S. 12 / Fotos: privat

2014-05-01,