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Auf den Spuren jüdischen Lebens in Leer

GESCHICHTE Schüler des Teletta-Groß-Gymnasiums in Leer stellten vor rund 70 Besuchern Buch vor

Die Jugendlichen waren besonders beeindruckt von Interviews mit dem KZ-Überlebenden Albrecht Weinberg.

Von Tatjana Gettkowski

Foto der Schülerinnen mit ihrer Lehrerin Claudia Lax bei der Buchvorstellung

Wirkten als Autoren am Buch „Ein Spaziergang durch das fast vergessene Leer“ mit: Anna Tietjen (hinten von links), Nele-Marie Fokken, Carina Hillmann, Berit Schnieder, An­to­nia Bennekenstein, Maike Ritz sowie Linh Tran (vorne von links), Hannah Meyer, Lehrerin Claudia Lax und Ina Oltrop.

Leer - Wenn Anna Tietjen in der Leeraner Fußgängerzone am Geschäft „Tally Weijl“ vorbeikommt, denkt sie nicht an Mode. Die junge Leeranerin erinnert sich an das Schicksal eines fast gleichaltrigen Mädchens, das einst in dem Haus gelebt hat, bevor es mit seiner Familie von den Nazis vertrieben wurde und im Konzentrationslager Birkenau umgebracht wurde.

Gemeinsam mit 20 weiteren Schülern des Teletta-Groß-Gymnasiums in Leer hat sich Anna Tietjen intensiv mit der Geschichte von Juden beschäftigt, die in Leer gelebt haben. Ergebnis ist das Buch „Ein Spaziergang durch das fast vergessene Leer“. Vorgestellt wurde es am Sonnabendnachmittag in der ehemaligen Jüdischen Schule in der Ubbo-Emmius-Straße Leer. Die Resonanz war so groß, dass einige der rund 70 Besucher sogar stehen mussten. Zu den Gästen gehörten auch Albrecht Weinberg, der Nazi-Regime überlebt hat, und Nikolaus Polak, Sohn von Karl Polak, der nach seiner Zeit im Arbeitslager nach Leer zurückgekehrt war.

Unter Anleitung ihrer Lehrerin Claudia Lax hatten die Schüler in Archiven Informationen gesammelt. „Besonders berührend waren die Gespräche mit dem Zeitzeugen Albrecht Weinberg. Wir sind dankbar, dass er uns an seinen Erinnerungen hat teilhaben lassen“, so Anna Tietjen. Die erste Auflage des Buches mit 150 Exemplaren war nach kurzer Zeit vergriffen. Passend dazu hatten Flyer erstellt. Interessierte können anhand des darin enthaltenen Planes einen Spaziergang auf den Spuren des früheren jüdischen Lebens durch die Leeraner Innenstadt unternehmen. Weitere Hintergrundinformationen zum Inhalt liefert das Buch. Mithilfe der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Ostfriesland ist jetzt eine zweite Auflage des Buches erschienen. In Auszügen trugen einige Schüler Teile aus dem Buch vor. Sie berichteten von Sicilia de Vries. Das Mädchen besuchte das Ober-Lyzeum für Mädchen in Leer (heute das Teletta-Groß-Gymnasium). Sicilia lebte mit seiner Familie in dem Haus, in dem sich heute das Geschäft „Tally Weijl“ befindet. „Irgendwann konnte sie die Demütigungen ihrer Mitschüler wohl nicht mehr ertragen, so dass sie das Lyceum im März 1938 verließ“, berichtete Anna Tietjen. Als 16-Jährige habe Sicilia de Vries die Pogromnacht miterlebt, in der auch die Synagoge angezündet worden war. Im Alter von 22 Jahren starben sie und ihre elf Jahre alte Schwester Elisa im Konzentrationslager Birkenau.

Landrat Matthias Groote (SPD) lobte die Arbeit der Schüler. „Sie haben einen Beitrag zur Erinnerungskultur geleistet und sorgen dafür, dass die Namen und Lebensgeschichten der ehemaligen jüdischen Leeraner Mitbürger nicht vergessen werden“, so der Landrat. „Wer das Buch kauft, wird belohnt“, sagte Wolfgang Kellner von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Erhältlich ist es in der Ehemaligen Jüdischen Schule in der Ubbo-Emmius-Straße in Leer.

Aus der Ostfriesen-Zeitung vom 9. April 2018, S. 12 / Foto: Gettkowski

2018-04-09,