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Salve!

Ausschnitt aus dem Dionysosmosaik

Dionysosmosaik (I)

Es ist noch gar nicht so lange her, als unser Geschichts­leistungs­kurs unmittelbar vor den Sommer­ferien die Möglichkeit hatte, übers Wochenende einen Kurztrip nach Köln anzutreten. Die sechsstündige (Rück-)Fahrt mit der deutschen Bundesbahn via „Quer durchs Land Ticket“ gestaltete sich zwar als etwas abenteuerlich und machte seinem Namen alle Ehre, doch wurden wir mit einer kompetenten Führung durch die Heiligtümer des Römisch-Germanischen Museums einschließlich des Dionysosmosaiks belohnt!! Die aktuelle Sonderausstellung „Zeittunnel“ gewährte uns zudem einen Einblick in die moderne Archäologie!

Köln – eine Stadt voller Geschichte

Der Gallische Krieg markiert den Beginn unserer Geschichte: Caesar schloss anno 55 v. Chr. einen Freundschaftsvertrag mit den Ubiern, die östlich des Rheins lebten. Ungefähr 30 Jahre später wurde dieser Germanenstamm auf Veranlassung von Agrippa, dem damaligen Statthalter Galliens, auf linksrheinischem Gebiet umgesiedelt (Zwangsmigration). Das Oppidum Ubiorum erhielt unter der Verwaltung der Römer städtisches Aussehen, denn römische Architekten und Ingenieure errichteten Großbauten und Tempelanlagen aus Stein (!).

Büste Neros

Nero, Sohn des Claudius

Der strategisch günstig gelegene zentrale Sitz der kaiserlichen Heeres­komman­deure sollte aber als Geburtsort der Agrippina (Urenkelin des Princeps Augustus, Ehefrau des Kaisers Claudius und Mutter des späteren Monsters Nero) noch an Bedeutung gewinnen: die amtierende Kaiserin des Jahres 50 n. Chr. setzte bei ihrem Gemahl durch, dass die Stadt der Ubier den Rang einer colonia erhielt, Veteranen ansiedelte und nach dem Vorbild Roms vergrößert und verwaltet wurde! Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium ward geboren! Die Claudische Colonie, am Altar der Agrippenser besaß fortan die gleichen Stadtrechte wie Rom und sollte ein Abbild der Hauptstadt am Rhein werden. Auch wenn CCAA nie die Dimension jener Metropole erlangen konnte, sie war doch ein immens wichtiger Handelsknotenpunkt mit Hafen und Fernstraßen, die quer durch die damals bekannte Welt führten.

Die florierende Wirtschaft mag sicherlich wie ein Anziehungsmagnet für Menschen aus dem ganzen Reich gewirkt haben. Durch die Ansiedlung von Veteranen, Truppenverschiebungen des römischen Heeres und den Fernhandel bedingt, wohnte und lebte letztlich eine multikulturelle durchmischte Bevölkerung in der damaligen Hauptstadt der Provinz Niedergermanien mit Einheimischen keltischer oder germanischer Abstammung, Migranten aus dem heutigen Italien, Bulgarien, Frankreich, Spanien, Ägypten und der Türkei.

Diverse Exponate im Römisch-Germanischen Museum bezeugen, dass aus der Begegnung zwischen Germanen und Römern eine Kulturverflechtung im Sinne von Bitterli [1] resultierte:

Auf der einen Seite adaptierten die Ubier und andere germanische Stammesangehörige in sehr großen Teilen römisches Kulturgut, auf der anderen Seite übernahmen die Römer germanische Lebensweisen, die in der hiesigen Region opportun erschienen. Ein paar Beispiele:

Der Grabstein der Bella (um 20 n. Chr.) illustriert nicht nur, wie Germanen (bzw. Kelten) Bestattungsrituale und Grabkunst der Römer übernahmen. Auf dem Grabstein, den der Ehemann Longinus nach römischen Vorbild errichten ließ, ist eine junge Frau mit Baby abgebildet. Das Motiv lässt vermuten, dass Bella im Kindbett starb. Ihre Mode, die Frisur mit Mittelscheitel und die Kleidung (Tunika mit Palla), spiegeln the Roman way of life wider, obgleich die Verstorbene nicht römischen Ursprungs war. Das Ehepaar zählte zu den Immigranten im frühen ersten nachchristlichen Jahrhundert in CCAA. Bella gehörte zu dem keltischen Stamm der Remer. Das Giebelfeld des Grabsteins wird mit einem Pinienzapfen geschmückt – ein typisches römisches Symbol für die Erneuerung des Lebens. Auch die Grabbeigaben deuten auf einen Glauben an einem Leben nach dem Tode. Die Inschrift ist in gebrochenem Latein verfasst. Wir können aus den vielen Exponaten der Ausstellung erschließen, dass die Einheimischen bzw. die Migranten die Sprache der Römer übernahmen. Schließlich wurde Latein eines der wichtigsten verbindenden Elemente in einer „multikulturellen Gesellschaft“.

Viele der Funde, die im Zuge der Schachtaushebung für die Kölner U-Bahn in der Sonderausstellung „Zeittunnel“ zu sehen waren, verdeutlichen die Früchte der Romanisierung und die wachsende Prosperität der Stadt, so z. B. kostbares römisches Tafelgeschirr und die vielen Münzen der einheitlichen Währung; auch die Verbesserungen in der Tonherstellung sowie die Techniken der Glasblaserei bereicherten den Alltag der Oberschicht.

Weihestein des Präfekten Titus Flavius Constans

Weihestein des Präfekten Titus Flavius Constans

Auf der anderen Seite übernahmen die Römer bestimmte Sitten der einheimischen Bevölkerung vor Ort, so beispielsweise die wärmende Kleidung der Germanen mit ihren dickeren Stoffen, die dem Klima in den nördlichen Gefilden angepasst waren. Auch das Tragen von Hosen wurde „modern“, um der Kälte Herr zu werden.

Im Bereich der Religion gab es ebenfalls Annäherungen, ja sogar Verschmelzungen innerhalb der polytheistischen Vorstellungen und Kulthandlungen auf beiden Seiten. Der Weihestein des römischen Prätorianerpräfekten Titus Flavius Constans für die Dea Vagdavercustis ist ein gutes Beispiel, das jene Verschmelzung illustriert, weil es ein typisches Ritual mit Gebet, Gelübde und Weihrauchkörner-Verbrennungen im Feuer auf dem Altar nach römischer Auffassung für eine germanische Kriegs- und Tapferkeitsgöttin abbildet.

Der Weihestein für die drei Matronen, den der Römer Marcus Catullinius Paternus hat aufstellen lassen, ist ein weiteres Beispiel von Synkretismus: die keltischen bzw. germanischen Göttinnen Axsinginehae, Aufaniae und Boudunnehae werden hier als Dreiheit dargestellt. Die zwei älteren Frauen tragen ihr Haar unter einer Haube, wie es bei verheirateten germanischen Damen Sitte war. Das junge Mädchen in der Mitte, ebenfalls in einheimischer Tracht gekleidet, hat die Haare offen – wie es bei den Römerinnen zu der Zeit üblich war. Die Römer bezeichneten diese Schutzgottheiten als Matronae (Mütter); die ursprünglichen Namen wurden einfach hinzugefügt.

Ausschnitt aus dem Dionysosmosaik

Dionysosmosaik (II)

Natürlich überwiegen die Relikte der Romanisierung in den nordwestlichen Regionen Europas, d.h. der Übernahme der lateinischen Sprache und der römischen Kultur, die sich insbesondere in der Bautechnik, den Aquädukten und der gesamten Infrastruktur zeigte. Der Prozess diente sicherlich der Machtentfaltung und der Stabilisierung des Imperiums. Noch heute ist das Erbe der Römer in unseren Gefilden sichtbar, etwa in unserem Rechtssystem und in den romanischen Sprachen (vgl. hierzu die Ausführungen zu den langfristigen Transformationsprozessen nach Braudel [2]). Doch die kulturelle Einflussnahme war nicht so einseitig, wie wir zunächst glaubten. Die Errungenschaften Roms wurden sicherlich bei den Einheimischen als Bereicherung angesehen, doch die Römer bewiesen sich gegenüber den einheimischen Kulten und den Glauben an die vielen Naturgottheiten der Germanen äußerst tolerant – solange nicht gegen römische Gesetze verstoßen und der Kaiserkult als Loyalitätsbekundung ausgeübt wurde. Vielleicht erklärt dies den Riesenerfolg der Römer. :-)

Anmerkungen

[1]

In seinem Werk Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“, Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch- überseeischen Begegnung, München 1991, unterscheidet der Geschichtswissenschaftler Urs Bitterli zwischen verschiedenen Formen der Kulturbegegnung, die sich z. T. auf andere Epochen (wie z. B. auf die römischen Antike) übertragen lassen.
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[2]

Der französische Historiker Fernand Braudel entwickelte in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Vorstellung von unterschiedlichen Zeitebenen der geschichtlichen Entwicklung, von denen er eine die „Geschichte der langsamen Rhythmen“ bezeichnete. Diese spiegelte nach seinem Verständnis insbesondere die Historie der sozialen Gruppen und Gruppierungen wider. Ökonomische Strukturen und gesellschaftliche Bedingungen beeinflussten schließlich nach seinem theoretischen Konstrukt die Ereignisgeschichte. Nach seinem Verständnis bezeichnen Transformationsprozesse einen Wandel von grundlegenden Strukturen einer Gesellschaft – wie wir sie im Zuge der Romanisierung kennenlernen durften (vgl. Braudel Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Phillips II., I. Band, Frankfurt am Main 2001).
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Text: Geschichtskurs auf erhöhtem Niveau GE42 / Fotos: Claudia Lax

2013-08-11,